Der Jagdgebrauchshund aus dem (Auslands-)Tierschutz von Anke Lehne

Bild von Katharina Blankenhaus: https://www.tierfotografie-kb.com

Jagdgebrauchshund bezeichnet eine Teilmenge der Gruppe Jagdhunde. Zu letzterer gehören alle Rassen (und Mischungen daraus), die ursprünglich für die Jagd gezüchtet wurden. Dabei ist es unerheblich, wie lange schon nicht mehr auf Jagdgebrauch hin selektiert wurde. Also auch ein Cockerspaniel, dessen Vorfahren seit 80 Jahren nicht zum Einsatz kamen, ist ein Jagdhund. Zu den Jagdgebrauchshunden zähle ich hingegen die Rassen (und Mischungen aus diesen), die auch heute noch primär vom Jäger für den Jäger gezüchtet und im Regelfall bejagt werden. Diese waren früher ausgesprochen selten im Tierschutz zu finden, denn verstarb der Besitzer oder änderten sich seine Lebensumstände, so kam der Hund gewöhnlich schnell bei einem Jagdkollegen unter.

Heute sieht die Situation anders aus. In den Tierheimen und bei den Tierschutzorganisationen finden sich reichlich Jagdgebrauchshunde. Allerdings stammt die Mehrzahl nicht von deutschen Jägern oder aus deutscher Leistungszucht, sondern aus dem Auslandstierschutz. Viele wurden einmal zur Jagd eingesetzt, gingen aber verloren oder wurden aussortiert, weil nicht gut genug, krank oder alt.

Wer überlegt, einem solchen Hund ein Heim zu geben, der überlege bitte gut. Diese Tiere kannten bisher ein ganz anderes Leben als das, was wir ihnen hier in Deutschland als Familienhund abverlangen. Im Regelfall stammen sie vom Land, waren noch nie in einer Stadt, vermutlich auch noch in keinem Haus. Ging es vom Grundstück, dann ging zur Jagd, sie durften leben wofür sie gemacht sind und genau darauf wartet so ein Hund hier auch, wenn wir mit ihm zum Spaziergang losziehen. Da muss dann jedoch auch noch sehr viel, oft zu viel, neu gelernt und ausgehalten werden. Gleichzeitig darf er seine Bedürfnisse nicht befriedigen, darf nicht zeigen, nicht leben, wofür er geboren wurde, reichlich Frust ist schnell die Folge. Der Drang, sich innere Befriedigung zu verschaffen wächst ins schier Unermessliche, der neue Halter fragt sich, wie ein Jäger diese „Granate“ nur verlieren oder aussortieren konnte.

Einen Teil dieser Probleme könnte man umschiffen, wenn die Passung Hund, Rasse, Individuum, altes Umfeld, neues Umfeld besser gewählt würde. Sind Landeier oder Rassen, die auch Schutz- und Wachfunktionen zeigen sollen oder leicht gestresste, ängstliche Typen wirklich gut in einer größeren Stadt zu halten? Welche Umgebungen triggern bei welchen Rassen/Rassegruppen das jetzt nicht mehr erwünschte Jagdverhalten besonders? Ganz pauschal: Vorstehhunde und Sichtjäger werden von weiten, freien Flächen magisch angezogen, Laufhunde finden im Wald eine Spur nach der nächsten, stöbernde Hunde sehen in Büschen und Dickungen ihre Arbeit warten. Passt der Hund zu bereits vorhandenen Haustieren, auch denen der Nachbarschaft, oder ist auch hier schon Stress und Ärger vorprogrammiert?

Natürlich kann man Jagdgebrauchshunde, auch Ältere, noch trainieren. Aber auch hier gibt es eklatante Unterschiede, manche Rassen sind auf enge Zusammenarbeit mit dem Menschen selektiert, andere sollen sehr autark agieren z.T. auch an sehr wehrhaftem Wild wie Dachsen oder Schwarzwild. Zudem sind die schon bejagten Hunde oft sehr stark genau darauf fixiert, kennen kein Spielzeug oder Spiel mit dem Menschen, nehmen bei entsprechender hoher Ablenkung/Erregung (dafür kann es reichen, schlicht das Haus mit dem Hund zu verlassen) auch kein Futter. Und wer nun denkt „na dann eben die alte Schule“, dem sei gesagt, dass bei jagdlicher Erregung davon wenig beim Hund ankommt und wenn doch, es je nach Typ auch die passende Antwort auf die aus seiner Sicht gerade sehr unpassende Einwirkung geben kann.

So ein aussortierter Jagdgebrauchshund aus dem (Auslands)Tierschutz kann also für jemanden der perfekte Hund sein, er kann aber auch den Traum von der Hundehaltung in eine Art Alptraum verwandeln.

Wo kriegt man nun die benötigten Informationen, um abschätzen zu können, ob der optisch und laut Beschreibung seitens des Tierschutzvereins zusagende Hund wirklich zu einem und eigenem Lebensumfeld passen könnte? Die Internetseiten der Rassezuchtvereine, Züchter und Jäger, die diese Rasse führen, sind eine wichtige Quelle. Allerdings kennen sie ihre Rasse primär als Gebrauchshund in Deutschland von Welpenbeinen an. Wie sich der Alltag mit einem bejagten Auslandshund gestaltet, wissen sie meist nicht. Hier können Liebhaber, die diesen Weg gegangen sind schon mehr erzählen, in den sozialen Netzwerken finden sich zu allem Gruppen. Man sollte aber auch dort gezielt nach den individuellen Umständen fragen, wenn es heißt „Alles total easy, beste Rasse, keinerlei Probleme als nur Familienhund!“. Womöglich empfindet diese Person etwas nicht als Problem, was einen selber aber sehr belasten würde, vielleicht lebt diese Person unter völlig anderen Umständen als man selber. Auch Hundetrainer sind eine gute Adresse, diese lernen eher die „Probleme“ bestimmter Rassen oder Konstellationen kennen.

Im Rahmen unseres Zusatzmoduls bieten wir für Trainerkollegen/innen eine umfassende Rassekunde (auch einzeln buchbar) und geben unsere eigenen Erfahrungen mit den Rassegruppen und Vertretern weiter.

Einen ersten Eindruck, bekommst du in dieser kostenlosen Vortragsaufzeichnung:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen
Scroll to Top