Rückruf-/Stopp-Training – wie oft muss ich üben, damit es klappt!? von Anke Lehne

“Was antworte ich, wenn der Kunde wissen will, wie lange/oft er denn nun trainieren muss, bis er den Hund am Wild sicher halten kann?”

Die Frage dreht sich also um die nötigen Wiederholungen im Training bis zum zuverlässigen Verhalten bei höchster Ablenkung. Als Antwort hört man oft Zahlen zwischen 1000 und 3000. Bei einer Wiederholung pro Tag (also z.B. einer Rehbegegnung) wäre es bei 1000 schon über 2,5 Jahre bei 3000 über 8 Jahre, da weiß man gar nicht mehr, ob es nun am Training oder am Alter liegt, wenn der Hund sich nicht mehr so interessiert.
Neben den doch sehr unterschiedlichen Zahlen gibt es zusätzlich auch noch Unterschiede, welche Wiederholungen überhaupt dazu gezählt werden. Alle Übungen zu einem Signal von Anbeginn an, quasi das erste „Welpen-Sitz!“ bis zum „Sitz! aus der Hatz“ oder nur die Sitzübungen bei Wildkontakt? Letzteren wenigstens täglich zu garantieren, um halbwegs zeitnah einen Erfolg zu haben, auch oft nicht möglich.
Und dann gibt es Teams, die üben 1-5 Mal nach einem neuen Konzept und haben damit das Problem gelöst, während andere Kunden kaum vorwärtskommen und frustriert auf deren Erfolge schauen. Wurden die weniger erfolgreichen Teams falsch angeleitet? Sind sie zu unfähig? Stimmt mit deren Hunden was nicht? Muss ich meinen Trainingsansatz verwerfen?
Kann alles sein, muss aber nicht. Es spielen einfach viel zu viele Faktoren ins Training rein, als dass man verallgemeinert sagen kann, Problem xy ist immer in einem festen Zeitrahmen z lösbar, wenn man auf Starkzwangmittel (extrem erschreckende und/oder schmerzhafte Einwirkung) verzichten will und nach aktueller Gesetzeslage auch muss.

Emotionen im Hundetraining

Ein ausreichend starker Reiz dieser Art kann Jagdverhalten nachhaltig abstellen (mit bekannten Risiken und Nebenwirkungen), es macht Sinn über den Grund nachzudenken. Eine schnelle Verhaltensanpassung an solche Erlebnisse ist in der Natur überlebensnotwendig, das Ganze ist mit starker Emotion und Gefühlen verknüpft. Tritt die Situation erneut auf, sind diese sofort wieder präsent. Sollte sich das neuerlernte Verhalten verschleifen, reichen gelegentliche kleine „Erinnerungen“, die Bremse wieder festzusetzen. Dinge, die mit starken Gefühlen besetzt sind, werden intensiver abgespeichert.
Und da kommen wir zu einem Hauptproblem beim positiven Antijagd-/Jagdkontrolltraining: Bei ausgeprägt jagdlich ambitionierten Hunden gibt es wenig bis nichts, was emotional höher bewertet wird, als die Option, das Jagdverhalten auszuleben. Belohnungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten erneut gezeigt wird, doch sehr oft wird aus Sicht des Hundes eher bezahlt oder gar bestochen. Kann wirklich hochwertig belohnt werden, reichen wie bei positiver Strafe zum Teil ebenfalls ein bis wenige Wiederholungen aus. Man stelle sich vor, wir hätten keine Ethik, Moral und Tierschutzgesetz und könnten den Hund nach erfolgreichem „Hier!“ immer mal wieder mit einem lebenden Tier zum Hetzen und Töten belohnen. Das können wir natürlich nicht, aber es zeigt wie wichtig es ist, sich über die Qualität, die Wertigkeit der Belohnung aus Sicht dieses einen zu trainierenden Hundes Gedanken zu machen. Die Belohnung sollte ihn bestmöglich absolut begeistern.

Weitere Einflüsse

Und dann sind da noch weitere Einflussfaktoren wie Genetik, Erfahrung, Gesundheit, Umwelt, Glück/Pech und Können des Besitzers.

Genetik

Wie stark triggert der Reiz den Hund zu unerwünschtem Verhalten.
Wie ähnlich ist das Wunschverhalten dem genetischen Verhalten z.B. Stoppen bei Wildwitterung. Das wird dem Vorstehhund im Schnitt leichter fallen als dem Terrier.
Wie sehr ist die Rasse auf Kooperation mit dem Menschen oder eher autarkes Jagen selektiert?
Wie intelligent ist der Hund? Wie leicht ist er erregbar und wie schnell kann er Erregung wieder abbauen? Wie gut kann er Frust ertragen?

Erfahrung

Wie stark ist der Reiz schon mit einem anderen als dem vom Besitzer gewünschten verknüpft? Hat der Hund also schon reichlich Jagderfahrung oder noch nicht? Bereits angelegte Verknüpfungen werden nicht gelöscht, sondern neue müssen so stark werden, dass sie präsenter werden als die alten. Das Training startet daher nicht bei Null, sondern irgendwo im Minus-Bereich.
Hat der Hund schon Trainingserfahrung und wirkt sich diese eher positiv oder negativ auf das gewünschte Ziel aus? Hat er schon einen guten „Grundgehorsam“, hat also erfolgreich andere Dinge gelernt oder sogar gute Vorerfahrungen mit dem gewünschten Signal, wird das Ziel vermutlich schneller erreicht. Kann der Hund hingegen bisher nichts auf Signal, hat womöglich noch keine Lernerfahrung mit einem Menschen, wird es schwieriger. Das gilt auch, wenn er seinen Menschen bisher als sehr inkonsequent, unberechenbar oder gar unfair erlebt hat.

Gesundheit

Ein gesunder Hund lernt leichter als manch beeinträchtigter. Man denke z.B. an Taubheit, hormonelle Dysbalancen, Schmerzen.

Umwelt

Eine hohe Dichte an jagdlichen Reizen erhöht die Trainingsmöglichkeit an solchen, kann aber wiederum Schwierigkeiten bereiten, wenn es darum geht, dem Hund auch Freiraum zu geben oder niedrige und mittlere Schwierigkeitsgrade zu kreieren.
Die Passung des Geländes zum Jagdverhalten der Rasse, einen Setter kriegt man im dichten Wald leichter kontrolliert als einen Stöberhund.

Glück/Pech

Die Umwelt lässt sich nicht völlig kontrollieren, man kann Glück oder Pech haben im Training und so unerwartet schnelle Fortschritte machen oder weit zurückgeworfen werden.

Können des Besitzers

Auch der Mensch muss Trainerfähigkeiten erst erlernen, nicht jeder ist da gleich begabt oder zu vergleichbaren körperlichen Leistungen fähig. Dies kann Auswirkungen haben auf das richtige Erkennen und Deuten von Verhalten, Timing und Möglichkeiten von Belohnung.

Wie schädlich sind “Fehlversuche”?

Neben diesen Faktoren kommt dann noch das Thema Perfektion im Training. Wie oft kommt es zu Fehlversuchen? Und wie wirken sie sich aus?
Hier muss unterschieden werden, wie es zum Fehlversuch kam. Hat der Hund das Signal nicht wahrgenommen, hat das keine Auswirkung auf sein weiteres Lernen, treibt aber die Zahl der Wiederholungen trotzdem hoch. Anders sieht es aus, wenn der Hund sich bewusst gegen das abgefragte Verhalten entscheidet und sich womöglich noch selber belohnen kann. Meist wurde das Signal zu früh in ungesicherter Situation verwendet. Gefühlt wirft so ein Fehlversuch das Team um 50 erfolgreiche Versuche im Trainingsverlauf zurück. Kommt es insgesamt zu oft zu solchen Fehlversuchen, wird das Signal unverbindlich. Im schlimmsten Fall muss mit einem neuen Signal quasi von vorne begonnen werden.
Die Zahl der nötigen Wiederholungen sinkt auch, wenn parallel Parameter wie Erregungslage, Fähigkeit zur Impulskontrolle, Orientierung am Menschen, allgemeine Kooperationsbereitschaft verbessert werden.

Fazit

Für eine möglichst korrekte Antwort an den fragenden Kunden muss ich das Team also ziemlich gut in all den genannten Punkten einschätzen können. Und es hilft ihm oft mehr, wenn ich ihm die Zusammenhänge grob erläutere und dann den Zeitraum von perfektem Training bis ausreichend gutem Training ansetze. Das motiviert, sich anzustrengen, zeigt aber auch, dass Durchhaltevermögen gefragt ist.


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